Herr Knigge in der Sauna: Schöne Brüste hast Du da.

Ohne Frage ist es wenig nett, andere in der Sauna auf Form, Größe und Farbe ihrer primären oder sekundären Geschlechtsteile anzusprechen:

„Sie haben aber schöne Eier.“

Auch ebenso seltsam wirkt es, plump und direkt irgendwelche anderen Merkmale auszusprechen, die früher im Personalausweis stehen mussten:

„Ist Ihr Oberschenkel verbrannt oder ist das ein Geburtsfehler?“

Wie so oft beginne ich einen Post mit einem Thema, um das es mir eigentlich gar nicht geht. Aber da ich nun an der Tastatur sitze: Weiter geht’s …

Ab in die Sauna

Die Sonne fällt vom Himmel, die Blätter vom Baum und wir wieder im Dunklen aus dem Bett. Ein Herbst ist da. Die Saunaperiode nimmt Anlauf. Ich habe das im August im österreichischen Urlaub daher schon mal wieder regelmäßig geübt. Gut ging’s.

Einmal stand ich nach ca. 15 Minuten ausreichend geschwitzt auf, um die Holzkiste zu verlassen. Dann passah es …

Es hat über drei Jahre gedauert, bis ich den Eindruck hatte, dass meine allmorgendliche Grüßerei einer jeden anderen Mutter, eines jeden anderen Vaters zu einer verlässlichen Reaktion führte. Egal wie muffig die alle immer kucken – wenn ich unsere Kids in den Kindergarten bringe, grüße ich laut und deutlich jede/n. Und nach ein paar Jahren tun die anderen es nun auch. Spürbar häufiger.

Ich bin ein Grüßer.

Herr Knigge in der Sauna: Schöne Brüste hast Du da.

Und nun verlasse ich Grüßer die Sauna, zwei andere bleiben vermutlich als Pärchen sitzen und wie immer in dieser Situation platzt mein Kopf fast vor Überlastung. Von der Hitze mal ganz abgesehen.

In diesem konkreten Fall habe ich erstmals innegehalten und mein Dilemma zur Sprache gebracht, bin zwei, drei Minuten länger in der Sauna geblieben und habe ein herzliches Gespräch mit den beiden geführt. So weit. So gut.

Eine Lösung konnten die beiden und ich aber nicht finden. Keine Antwort auf die Frage:

Was soll ich zum Abschied sagen?

Was steht zur Auswahl?

Tschüss. Ciao.

Auf Anhieb die erste Wahl. Nun ist es aber so, dass das wenig Sinn macht, wenn man nicht anschließend und fluchtartig das komplette Gebäude verlässt. Nichts ist bekloppter, als jemandem ‚Tschüss‘ zu sagen um diesen dann daraufhin noch ein paar Mal wieder in der Sauna, unter der Dusche, in der Umkleidekabine zu begegnen. Tschüss ist Tschüss.

Bis gleich. Bis später.

Genau andersrum. Selbst wenn die festeste Absicht besteht, noch stundenlang auf dem Areal herumzutollen, kann ja kein Schwein wissen, ob das für die anderen auch gilt. Im schlimmsten Fall – da man sich ja nicht(!) für später verabredet hat – gerät man unter den Verdacht, Stalker zu sein oder es wird als Ankündigung eines anschließenden, spätnächtlichen Überfalls mit anschließender Sicherheitsverwahrung empfunden.

Viel Spaß noch.

Sehr gut. Erstens ist das oft die kaltschnäuzige Schwester vom verachtenden „Viel Spaß noch im Leben“. Zweitens kommen in der Sauna nur in sehr seltenen Fällen Konfetti, Livemusik, Bauchtänze oder Fußballspiele vor. Spaß ist woanders. Dann schon eher …

Ich wünsche noch gute Erholung.

Kaum besser. Spätestens wenn die anderen stöhnen, so tief atmen, dass das Holz quietsch, schnaufen, als hätte man sie auf ihre Eier angesprochen und vor allen Dingen immer wieder den neuen Schweiß von Armen und Gesicht diagonal durch den engen Raum flitschen. Sauna ist Erholung, aber nicht in der Sauna.

Alles gute.

Kurz und knapp: Wir sind hier ja nicht bei ‚Flucht aus Deutschland‘ oder ‚Die Auswanderer sind weg‘. Wenn man aus der Sauna geht, ist das in den meisten Fällen kein Abschied auf Lebenszeit. Manchmal allerdings und Gott-sei-Dank doch.

Auf Wiedersehen.

Nicht anderes als die höfliche Form von „Bis später“. In der Saunasituation somit höflich doof.

Mach(t)’s gut.

Pack‘ mal ’nem nackten Mann in die Tasche. Was soll gut gemacht werden? Liegen? Schwitzen? Stöhnen? Schnaufen? Sauna ist doch eher ein Ort des Nichtmachens. Der diesem Abschied intrinsische Appell ist dann doch eher ein Aufruf zum Stepdance.

Man sieht sich.

Oh je. Damit stößt man – wenn auch ohne jede Absicht – den Dorn direkt in übergewichtige oder verformte Fleisch der meisten. Man spricht die Eier an, die es nicht auf Titelblätter geschafft haben. Sauna ist zwar nackt, aber ein lautes Aussprechen dieser ebenfalls nackten Tatsache muss ja nicht sein. Ich wette: Wenn Du Dich mit „Man sieht sich.“ aus der Sauna verabschiedest, antworten 9 von 10 Sitzenbleiber entweder mit ‚Ja ,ich weiß.‘ oder ‚Ja, leider.‘

Herr Knigge in der Sauna: Schöne Brüste hast Du da.

Nichts geht mehr

Über dem Ganzen schwebt dann noch ein generelles Problem. Die große Gruppe der Abschiede lässt sich in zwei Klassen unterteilen: Erstens sind da die, die ein langfristiges Nichtmehrsehen ankündigen (Mach’s gut, Alles gute, Auf Wiedersehen, …) und andererseits die, die eher eine kurze Pause vom anderen einläuten (Bis gleich, Bis später, …).

Wie oben bereits angerissen ein generelles Saunadilemma. Ob man die bisher Fremden in der Sauna beim nächsten Gang oder im Ruheraum noch mal sieht oder nie mehr im Leben, ist nie sicher vorherzusagen. Und allerspätestens wenn beim eigenen Ausstieg nicht ein oder zwei in der Sauna verbleiben, sondern man als erster den Aufguss verlässt, beendet man das Verhältnis zu so vielen, das alles durcheinandergeht.

Man kann es nicht richtig machen.

Herr Knigge in der Sauna: Schöne Brüste hast Du da.

Dilemma, Trilemma, doof das.

Es ist zu hoffen, dass dies der Grund dafür ist, dass so viele schweigsam und still durch die Tür in die Kühle treten. Ich allerdings bleibe ein Grüßer und hoffe darauf, irgendwann den Gral des vorübergehenden Saunaaustrittabschieds zu finden. Morgens vorm Kindergarten war’s da leichter.

Eines habe ich allerdings schon gelernt: Egal ob im Wartezimmer beim Arzt, in der Sauna oder auf einer öffentlichen Toilette …

Händeschütteln muss echt nicht immer sein.

Ich wünsch‘ Euch noch ein schönes Leben.

Echt.

Ein Kommentar

  • Du hast Probleme, Stefan. Die kenn ich auch und manche Hirnwindung kommt ins schwingen.

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