Beim Hörsturz einfach einen Camembert in die Haare schmieren

Ich möchte mit einer in sich geschlossenen Geschichte anfangen: In diesem Text kommt das Wort Guttenberg genau einmal vor. Fertig.

Zum Wesentlichen: Kürzlich unterhielt ich mich smalltalkend mit einem guten Bekannten über die Pros und Cons von Homöopahtie. Während ich dem ganzen eher aufgeschlossen, indifferent und ambivalent gegenüber stehe, hatte mein Gesprächspartner eine glasklare Meinung. Dass er Mediziner ist, spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle.

Zufällig stolperte ich wenige Stunden später über die Aktion von einer größeren Gruppe von Ärzten und Co., die sich verabredet hatten, am 12. Februar um 10:23 Uhr eine Überdosis homöopathischer Medizin zu sich zu nehmen. Sie wollten demonstrieren, dass es weder eine Wirkung noch eine Überwirkung geben würde. Wäre es anders gekommen, wüßten wir heute wohl davon.

Im Web fand ich einen Link auf ein Interview mit Dr. Mark Benecke, der diese Aktion aus homöopathischer Sicht zu verreißen versuchte. Diesen Link schickte ich schmunzelnd an meinen Bekannten. Und dann bekam ich eine Mail, die ich Gott-sei-Dank veröffentlichen darf. Die kommt jetzt.

Mail vom 13. Februar 2011

Mit freundlicher Genehmigung

Hallo Stefan,

vielen Dank für den Link.

Es gibt sicher viel dazu zu sagen. Dem Prof. – so sagt die Reporterin – schlügen zwei Herzen in der Brust, die sich nicht widersprächen. Tun sie aber doch! Der Inhalt dessen, was der Prof. gesagt hat zum Thema „Chemie“, „subatomare Teilchen“, „Placebo“ etc. widerspricht sich in sich selbst.
Die Begriffe „Homöopathie“ und „Wissenschaftlichkeit“ schließen sich m. E. gegenseitig aus.

Die angesprochenen quantenphysikalischen Effekte sind natürlich nicht in der Lage, ein Wirkprinzip zu erklären! Das ist auch von Physikern bestätigt worden. Der Grund, weshalb die Quantenphysik von Homöopathen immer wieder ins Feld geführt wird, ist der, dass die Quantenphysik der Intuition widerspricht, dass sie hochkompliziert ist und dass dementsprechend „normale“ Argumentationsgegner ohne explizite Kenntnisse der Quantenphysik leicht und schnell „mundtot“ gemacht werden. Funktioniert aber nicht bei Physikern wie z. B. Prof. Lambeck („Irrt die Physik?“).

Die „Marburger Erklärung“ ist heute noch so richtig wie vor 10 Jahren. Die bloße Tatsache, dass sie älter wird, bedeutet nicht, dass sie völlig von allein mit jedem Tag ein Stückchen falscher wird…

Die Akupunktur wurde auch angesprochen, dann aber wieder verlassen, um das Thema nicht zu sprengen. Aber auch da hat die „Marburger Erklärung“ Recht: bis heute ist noch kein Wirkprinzip der Akupunktur gefunden (wie bei der Homöopathie)!

Die Homöopathie ist 250 Jahre alt. Die Gesetze der Homöopathie sind in Stein gemeißelt! Da ist alles heute noch genauso wie damals. Der Prof. hat ja gesagt, dass man nicht nur verdünnen muss, sondern auch noch „verschütteln“. Da sind diese „Schüttelschläge“ auf die in Leder gebundene Pharmakopoe (Arzneibuch) der Homöopathen. Das war vor 250 Jahren vielleicht eine probate Methode; heute gibt es überall in der Chemie elektrische Rührgeräte… Komisch, dass eine wissenschaftliche Erklärung (Marburger Erklärung) nach 10 Jahren ins Falsche veraltert ist, die Homöopathie nach 250 Jahren aber genauso gültig sein soll wie zu Beginn. Komisch auch, dass 250 Jahre Forschung keinen Wirkmechanismus entdecken konnten, aber, wenn „wir uns in 10 Jahren wieder sprechen“, dann soll er (der Wirkungsnachweis) da sein …? Wie denn…?

Die „Homöopathie-Vergiftungsaktion“ (an der ich auch teilnehmen wollte, es aber verbaselt habe) soll ja nicht öffentlich aus Kranken Gesunde machen. Es soll zeigen, dass in den Tropfen keinerlei Wirkung ist. Weder gute noch schlechte. Auch wenn ein Herzgesunder nicht an die Wirkung von Digitalis glaubt: vergiften kann er sich sehr wohl damit! Mit Homöopathika geht das nicht. Und die Homöopathika machen auch nichts an der Psyche. – Was der Prof. aber verschwiegen hat: Die „Arzneimittelbilder“ werden mit C30-Lösungen (= D60 = eine „10 hoch 37“-fach dünnere Lösung als D23) an Gesunden „getestet“. Gesunde bekommen eine C30-Verdünnung von z. B. Hundescheiße (= „Excrementum canis“) und dann wird geguckt, welche Beschwerden die kriegen. Und gegen diese Beschwerden soll dann eine Hundescheiße-Verdünnung von D30 bis C200 wirken!? Je dünner, je besser!?

Es ist auch unter wissenschaftlichen Ärzten unbestritten, dass es einen Placebo-Effekt gibt. Der Placebo-Effekt ist durch keine Methode der Welt zu verhindern. Wenn sich 100 Leute mit einem – sagen wir mal – Hörsturz einen Camembert in die Haare schmieren, dann geht es anschließend auch 50 bis 80 davon besser! Ein Medikament gilt erst dann als wirksam, wenn es diese Placeboquote deutlich und reproduzierbar überschreitet! (Bei anderen Krankheiten haben die „Erfolgsquoten“ des Placebos eine andere Prozentzahl – das ist krankheitsabhängig). Der Prof. hat schon gesagt, dass Aspirin mit Placebo besser wirkt als Aspirin ohne Placebo. Das ist total richtig! Aber es ist genauso richtig, dass Placebo mit Aspirin besser wirkt als Placebo ohne Aspirin! Und „Placebo mit Homöopathie“ wirkt genauso gut oder schlecht wie „Placebo ohne Homöopathie“ – daraus ergibt sich für jeden logisch denkenden Menschen, dass der Homöopathieeffekt gleich dem Placeboeffekt ist. Was dann das Brimborium mit den Tropfen bzw. Globuli soll, ist unverständlich. Der einzige Grund ist: Placebo allein kann man nicht verkaufen, Placebo mit Homöopathie aber schon.

Wenn man aber Geld nimmt für „Nichts“, Geld nimmt für Leistungsversprechen, die aus physikalischen Gründen gar nicht einlösbar sind, dann ist das entweder Dummheit (man müsste den „Kollegen“ nachträglich die Zulassung entziehen) oder Betrug (der Staatsanwalt müsste kommen). Mit der gleichen Berechtigung könnte ich dann ja auch Geld nehmen für z. B. „Wetter“ oder „Tageslicht“…

Es gibt noch viel mehr zu sagen. Ich höre an dieser Stelle aber mal auf. Soll ja nicht langweilig werden…

Viele Grüße
W.

Wenige Stunden später

Meine Antwort

Hallo W.,

Deine Mail ist großartig sowie spannend informativ. Ich habe Tränen gelacht.

Wie bereits erwähnt: Ich sehe das alles eher grau als schwarz/weiß und kann sowohl „Deiner“ absolut unumstößlichen Logik folgen als auch den Psychoeffekten von Glaubenssystemen (wie auch immer diese Aussehen).

Ich würde Deine Mail gerne anonymisiert in meinem privaten Weblog www.last-voice.de veröffentlichen. Wäre das OK für Dich?

Herzliche Grüße

Stefan

Wenige Stunden später

Mit freundlicher Genehmigung

Hallo Stefan,

Du hast meinen „wunden Punkt“ getroffen! Du lockst mich in Versuchung…

natürlich kannst Du das anonymisiert veröffentlichen. Vielleicht werden ja einige nachdenklich.

Ich kann sagen, dass ich in diesen Dingen früher auch „grau“ war. Aber dann kam der Punkt, da musste ich – besonders vor mir selbst – „Farbe bekennen“. Schwarz und Weiß ergibt Grau. Wenn wir uns über Farben unterhalten! – Es gibt aber keine vernünftige Mischung aus „Sinn“ und „Unsinn“. Kann keine geben! Homöopathie ist Unsinn! Man kann den „Sinn“ durch „Unsinn“ nur verwässern, nur verschlechtern. Man kann den „Unsinn“ durch „Sinn“ zwar verbessern; die größte Verbesserung tritt aber auf, wenn man nicht „mehr Sinn“ hinzufügt, sondern „weniger Unsinn“ – am besten den „Unsinn“ komplett eliminiert.

Naturgesetze sind eben keine Farben! Sie sind nicht pluralistisch beeinflussbar! Physiker erfinden keine Naturgesetze, sondern entdecken sie!

Kommen Dir nicht auch langsam Zweifel am „Grau“?

Wie gesagt: es geht um die stoffliche Wirkung der Homöopathie! Dass Homöopathen empathisch sind, ist unbestritten! Dass Homöopathen den Placeboeffekt genial ausnutzen, auch! Es ist auch völlig klar, dass viele Krankheiten stofflich überhaupt nicht behandlungsbedürftig sind! Dass es Leute gibt, die fühlen (oder gefühlt haben), dass es ihnen nach Homöopathie besser geht, bezweifelt niemand! Die Frage ist: kann man diese positiven Gefühle reproduzierbar durch Homöopathie herstellen? Nein, kann man nicht. Kann man darauf bauen, dass ein Mensch, der sich nach einer Behandlung besser fühlt, auch gesünder geworden ist? Nein, kann man auch nicht!

Kann man Homöopathie testen? Ja, natürlich! Die Homöopathen sagen aber „Nein, kann man nicht“. Warum sagen sie das? Um ihre Lehre gegen die Kritik (Studien und Statistiken) zu „immunisieren“. Sind die Homöopathen mit ihrer Meinung, Homöopathie sei nicht testbar, konsensfähig? Nein, sind sie nicht. Müssen sie aber auch nicht sein! Die Politik (allen voran die Grünen unter dem namhaften Einfluss von Antje Vollmer) haben einen „Binnenkonsens“ für die Homöopathie durchgesetzt. Wusstest Du das? Homöopathen dürfen sich gegenseitig bestätigen, wirksam zu sein! Kritik von Nicht-Homöopathen müssen sie nicht akzeptieren… Teppichpiloten bestätigen sich auch gegenseitig, dass sie auf Teppichen fliegen können. Die Kritik von Verkehrs-Piloten müssen sie nicht akzeptieren…

Wo leben wir denn?

Kommen Dir nicht auch langsam Zweifel am „Grau“?

Stoffliche Wirkungen hat die Homöopathie in 250 Jahren nicht gezeigt. Und naturwissenschaftlich ausgebildete Leute (nicht nur Mediziner) sagen, dass die Homöopathie niemals stoffliche Wirkungen wird zeigen können. Stoffe, die nicht da sind, können nicht wirken. Sollte eigentlich logisch sein.

Es ist zwar denkbar, dass nachgewiesene Effekte heute noch unerklärlich, morgen aber schon erklärbar sind.
Es ist aber undenkbar, dass Wirkungen, die den bereits heute bekannten Naturgesetzen widersprechen, morgen im Einklang mit ihnen stehen können! Dazu müsste die komplette Physik ein einziger Irrtum sein. Die Wahrscheinlichkeit ist aus philosophischen Gründen zwar nicht null, aber kleiner als jeder vorstellbare Wert! Und das ist der Grund, weshalb die (stofflichen) Effekte der Homöopathie bis heute nicht nachweisbar sind. (* ich habe unten mal ein Beispiel aufgeführt)

Über die nicht-stofflichen Wirkungen müssen wir uns nicht unterhalten. Übrigens sind nicht-stoffliche Wirkungen in der wissenschaftlichen Hochschulmedizin problemlos integriert! Psychiatrie und Psychotherapie, Gesprächstherapie, Physiotherapie etc. pp.: alles Therapien ohne Medikamentenstoffe. Warum ist die Homöopathie so unehrlich und behauptet stoffliche Wirkungen? Gleichzeitig klopfen sich doch die Homöopathen auf die Schultern, dass sie den Patienten besser zuhören, dass sie empathischer sind. Das will ihnen ja keiner nehmen! Wozu aber die Flucht in die stofflichen Wirkungen? Globuli sind wie der Zauberstab der Zauberer! Nur dass die „Zauberer“ glasklar sagen „es gibt keine Zauberei, nur Illusionen“. Auf dieses Wort der Homöopathen warte ich noch…

Weißt Du übrigens, wann eine Homöopathiebehandlung erfolgreich ist?
1. Wenn es dem Patienten besser geht. Dann ist das erreicht, was man wollte.
2. Wenn es dem Patienten unverändert geht. Das ist ein Zeichen, dass die Wirkung nachhaltig sein wird! Schnelle Wirkungen sind immer dann unerwünscht, wenn sie sich nicht einstellen wollen…
3. Wenn es dem Patienten schlechter geht. Das ist dann die berühmte „Erstverschlimmerung“ – ein sicheres Zeichen der Wirksamkeit!

Kommen Dir nicht auch langsam Zweifel am „Grau“?


* Beispiel:
Ein Schachbrett hat 8* 8 = 64 Felder. Je 32 schwarze und weiße. Nimmt man 32 Dominosteine, die immer 2 Schachfelder bedecken, dann kann man das gesamte Schachbrett parkettieren. Kann man das Schachbrett auch dann mit Dominosteinen parkettieren, wenn man oben links und unten rechts je ein Feld heraussägt? Das Schachbrett hätte dann 62, statt 64 Felder. Mit 31 Dominosteinen müsste das gelingen…

Bisher ist es noch nie gelungen.

Es gibt Leute, die sagen: „Wartet ab! In 100 Jahren wird ein genialer Mensch die Möglichkeit der Parkettierung gefunden haben“. (Das ist die Meinung der Homöopathen.)

Andere Leute sagen: das Feld oben links ist weiß und das Feld unten rechts ist auch weiß. Das ausgesägte Schachfeld hat also 32 schwarze, aber nur 30 weiße Felder. Dominosteine, die zwei nebeneinanderliegende Felder abdecken, können nur (müssen also) immer ein weißes und ein schwarzes Feld bedecken. Mit 31 Dominosteinen bleiben 2 schwarze Felder unbedeckt und mit 32 Dominosteinen ragen an zwei Stellen Dominosteine über das Brett hinaus. 31 Dominosteine sind also zu wenig und 32 Dominosteine sind zuviel. Es wird also niemals funktionieren. Nicht mit unzersägten Dominosteinen. (Das ist die Meinung der Wissenschaft!)

Aber wer weiß? Vielleicht irrt ja die Mathematik…? Vielleicht gibt es ja eine noch unentdeckte ganze Zahl zwischen 31und 32??? Es soll ja Dinge geben zwischen Himmel und Erde, die wir noch nicht kennen… (Auch dieser Satz ist älter als 200 Jahre. Stammt von Shakespear. Steht im „Hamlet“).

Ich bin wieder ein wenig zynisch… Macht aber Spaß!

Herzliche Grüße
W.

Ende offen …

So, Ihr Camembert-in-die-Haare-schmierer, ich hatte und habe meinen Spaß damit. Natürlich ist die Meinung vom Bekannten W. nicht meine, aber die, die mich kennen, wissen, dass ich Diskussionen mit klaren Argumenten schätze. Und davon habe ich Dank W. eine feine Überdosis bekommen.

Hicks.

Ein Kommentar

  • Hier zwei Statements ganz ohne Guttenberg: 1. Homöopathie wirkt. 2. Sie wirkt aber nicht auf die Weise, wie die Homöopathen uns das Glaubenmachen wollen. Die Rolle der Quantenphysik? Die Vermutung, das die Quantenebenen, das mysterium coniunctionis sind, in denen sich manifeste und unmanifeste Wirklichkeit treffen.
    Verkürzt: Der Experimentator beeinflusst das Experiment oder das Phänomen, dass der Beobachter eines auf Qunatenebene ablaufenden Prozesses die Ergebnisse seiner Beobachtungen durch die von ihm gewählte Beobachtungsform mit beeinflusst, ist wohl ursächlich für die Sehnsucht, dass Homöopathie wirksam seit und die Quantenphysik dieses bestätige.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben